Medienberichte

«Das regt mich tödlich auf»: EVZ-Trainer Liniger und der Ärger über die erste Niederlage – und die mangelnde Disziplin​

Der EV Zug gibt einen 3:0-Vorsprung aus der Hand und kassiert eine 3:4-Niederlage nach Verlängerung gegen seinen «Lieblingsgegner», die SCL Tigers. Auch weil Tomas Tatar die Beherrschung verliert. Derweil droht Abwehrchef Lukas Bengtsson längere Zeit auszufallen.

Statistisch gesehen war die Begegnung zwischen dem EV Zug und den SCL Tigers bereits entschieden, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Denn die Langnauer Erfolglosigkeit in Zug hat ungesunde Ausmasse angenommen. Man sollte mit dem Begriff «Angstgegner» vorsichtig umgehen. Aber die Langnauer sind 17 Mal in Folge die Heimreise mit einer Niederlage im Gepäck angetreten. Unglaublich, aber wahr: Der letzte Sieg datierte vom 20. Oktober 2017. Es schien fast so, als ob ein geheimnisvoller Fluch über der OYM Hall liegen würde.

Doch das Unwahrscheinliche wurde wahr. Harri Pesonen besiegelte 15 Sekunden vor Ablauf der Verlängerung im Powerplay Zugs erste Saisonniederlage. Kein Wunder machte EVZ-Trainer Michael Liniger nach dem Spiel einen zerknirschten Eindruck. Was ihm vor allem sauer aufstiess? «Die zwei Gesichter», die er bei seiner Mannschaft ausmachte. «Unsere Fans stellen eine unglaublich tolle Choreografie auf die Beine. Alles war angerichtet, und dann präsentieren wir uns so. Das hat mich tödlich aufgeregt.»

Scheiterten die Zuger an der Einstellung? Dieser Frage müssen sich die Spieler stellen. Eine Erklärung hatte der Trainer auf die Schnelle nicht. «Vielleicht war es eine mentale Sache. Wir konnten keine Energie kreieren», meinte Liniger. Nicht zuletzt ärgerte ihn die Preisgabe des Drei-Tore-Vorsprungs. «Das darf uns so nicht passieren.»

Sieben Punkte aus drei Spielen: Trotz des Dämpfers ist der Start in die Saison mit Abstrichen geglückt. «Es fällt mir nicht leicht, ein Fazit zu ziehen. Ich habe viel Gutes gesehen, aber auch Dinge, die wir dringend verbessern müssen.» Liniger war bemüht, auch positive Aspekte der Auftaktwoche herauszustreichen. Erwähnung fanden etwa die Darbietungen von Dorian Moret, dem erst 18-jährigen Verteidiger, der gegen den HC Lugano und die SCL Tigers ins kalte Wasser geworfen wurde und die Prüfungen bestand. Liniger lobte: «Er hat gegen Lugano unglaublich gespielt und auch gegen Langnau auf einem hohen Level performt. Das bereitet mir Freude.»

Zug kommt überhaupt nicht in die Gänge​

Weil mit Lukas Bengtsson, Elia Riva und Dominik Schlumpf drei Routiniers fehlten, sind die Jungen wie Doret, Nic Balestra und Mischa Geisser geforderter denn je. An der Personalfront droht weiteres Ungemach: Bengtsson, der das Spiel auf der Tribüne verfolgte, muss sich momentan mit Krücken behelfen. Wie es um seinen Gesundheitszustand steht? «Schlecht», antwortete Liniger kurz und knapp. Bengtsson dürfte so schnell nicht wieder zurückkehren.

Zum Spiel: Die Teams lieferten sich zunächst ein zähes, wenig attraktives Duell. Der EVZ wirkte seltsam passiv, schaffte es kaum, einen zusammenhängenden Spielzug aufzuziehen. «Uns fehlte die Aggressivität in den Zweikämpfen», bemängelte Liniger. Das Geschehen auf dem Eis glich der Stimmung auf den Zuschauerrängen, wo sich die Fans vom uninspirierten «Puckgeschiebe» anstecken liessen. Erstaunlich viele Sitzschalen blieben leer, obwohl der EVZ nach zwei Spielen mit dem Maximum an Punkten gestartet war.

Zug präsentierte sich überraschend ideenlos. Das Heimteam musste froh sein, dass es sich ohne Gegentor in die Drittelspause verabschieden durfte. Der Gast aus dem Emmental vermittelte in seinen Aktionen den zielstrebigeren Eindruck.

Die Tschechen sorgen für die 3:0-Führung​

Und plötzlich zeigte der EVZ dann doch, zu was er fähig ist. Da war sie, diese Spielfreude und dieses Tempo, was Liniger zu gefallen wusste und die Langnauer in Bredouille brachte. Dem Mitteldrittel drückte die Tschechen-Fraktion den Stempel auf. Ein Doppelpack von Dominik Kubalik und ein herrlicher Treffer von der blauen Linie von David Sklenicka schaffte dem EV Zug eine komfortable Ausgangslage. Doch mit dem 1:3-Anschlusstreffer 36 Sekunden vor Ende des Mitteldrittels starteten die Langnauer ihre Aufholjagd und stellten durch zwei Powerplay-Tore auf 3:3. Obwohl Liniger bei Daniel Vozenileks Strafe für ein Beinstellen ganz anderer Meinung war. Es ehrt Liniger, dass er nicht den Referees die Schuld gab, sondern bei den eigenen Spielern zur Kritik ansetzte: «Unser Unterzahlspiel war schlicht nicht gut genug.»

Neben der Niederlage dürfte sich Liniger auch über Tomas Tatar enerviert haben. Die entscheidende Szene, die zur Niederlage führte, geschah beim ersten Bully in der Verlängerung. Der EVZ-Center kassierte eine Strafe der Kategorie «völlig unnötig». Aus dem Nichts verlor der Slowake die Contenance und checkte in verantwortungsloser Manier den Gegenspieler mehrmals in den Nackenbereich, was eine grosse Strafe mit Restausschluss zur Folge hatte. Ein abschliessendes Urteil wollte Liniger nicht fällen. Nur so viel: «Die Disziplin hat in dieser Szene gefehlt.» Am Sonntag wird das Urteil des Einzelrichters publik: Tatar wird für ein Spiel aus dem Verkehr gezogen und muss eine Busse von 2500 Franken bezahlen.

Tore: 22. Kubalik (Tatar, Wingerli) 1:0. 32. Sklenicka (Martschini, Vozenilek/Powerplay) 2:0. 33. Kubalik (Tobias Geisser, Moret) 3:0. 40. Pesonen (Rohrbach, Rohrbach) 3:1. 44. Mäenelanen (Kinnunen, Rohrbach/Powerplay) 3:2. 45. Rohrbach (Kinnunen, Mäenelanen/Powerplay) 3:3. 65. Pesonen (Kinnunen, Mäenelanen/Powerplay) 3:4.

Strafen: 4-mal 2 plus 5 Minuten plus Spieldauer (Tatar) Zug; 2-mal 2 Minuten SCL Tigers.

Zug: Wolf; Sklenicka, Diaz; Moret, Tobias Geisser; Stadler, Balestra; Mischa Geisser; Kubalik, Tatar, Wingerli; Herzog, Senteler, Martschini; Hofmann, Kovar, Vozenilek; Eggenberger, Leuenberger, Wey; Lindemann.

SCL Tigers: Meyer; Mathys, Kinnunen; Baltisberger, Meier; Guggenheim, Erni; Lehmann; Mäenalanen, Björninen, Julian Schmutz; Pesonen, O'Reilly, Rohrbach; Bachofner, Felcman, Allenspach; Lapinskis, Salzgeber, Petrini; Fahrni.

Bemerkungen: Zug ohne Bengtsson, Riva, Schlumpf (verletzt), Künzle (gesperrt), Antenen (überzählig). SCL Tigers ohne Petersson, Flavio Schmutz, Riikola, Paschoud (verletzt).
 
Das Wettkampfprogramm des EV Zug bis zur Nationalmannschaftspause im November ist happig. Inklusive Champions League absolviert er 20 Spiele innert 45 Tagen. Da drängt sich die Frage auf: Reagiert der Klub auf die Verletzungsmisere und verpflichtet er einen Import-Verteidiger, womit das Ausländerkontingent auf acht steigen würde? «Nicht nötig», findet Liniger. «Es ist nicht der Zeitpunkt da, um den Panikknopf zu drücken, das wäre kontraproduktiv.» Liniger gibt zu bedenken, dass ein neuer Ausländer das Teamgefüge aus der Balance bringe könnte. «Sieben Ausländer sind handhabbar, mit acht wird es schwierig.» Ob Sportchef Reto Kläy Bengtsons Absenz mit einem Ersatz abfedert, ist offen. «Ich schliesse Stand heute nichts aus.» Beim EV Zug will man auch abwarten, weil bei Riva in dieser Woche medizinische Abklärungen anstehen.
 
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