Flache Hierarchie, zu wenig Leben, mentale Defizite: Der EVZ-Sportchef sagt, wo Handlungsbedarf herrscht
Was würde er anders machen? Dachte er an Rücktritt? Auf welchen Positionen braucht es Verstärkung? Jetzt äussert sich Zugs Sportchef Reto Kläy ausführlich.
Was würden Sie sich für eine Note für Ihre Arbeit als Sportchef geben, was den Verantwortungsbereich der 1. Mannschaft betrifft?
Reto Kläy: Ich habe das Lehrerseminar nicht absolviert. Deshalb bin nicht so gut darin, Noten zu verteilen. Sie können das viel besser.
Ich möchte Ihre Einschätzung gerne hören.
Man muss unsere letzte Spielzeit differenziert betrachten. Einige Organisationen würden uns darum beneiden, in den letzten vier Jahren zweimal den Titel zu gewinnen und zweimal in den Halbfinal vorzustossen. Es war eine komische, aber zum Schluss nicht zufriedenstellende Saison. Im Herbst waren wir bei fünf gegen fünf das effizienteste Team und kämpften um Platz eins. Das zeigt, wie viel Potenzial in dieser Mannschaft steckt. Aber was zählt, ist der letzte Eindruck. Natürlich gibt es Dinge, die ich im Rückspiegel kritisch analysiere. Aber vor einem Jahr war ich überzeugt von meinem Vorgehen, sonst hätte ich nicht so gehandelt.
Welche Handlung reflektieren Sie besonders kritisch?
Wenn man über Jahre erfolgreich ist und immer mit den gleichen Leuten zusammenarbeitet, muss man ständig neue Reizpunkte setzen, sonst droht der Stillstand. Man darf nichts als selbstverständlich betrachten. Auch wenn es gut läuft, muss man sich ständig weiterentwickeln. Wir waren nicht so unterwegs, als wären wir auf einer klaren Mission.
Wie hat denn die Mission geheissen?
Titel gewinnen, das wollen alle. In der Saison 2022/23 sind wir im Halbfinal ohne Benzin stehen geblieben. Diesmal lag das Problem auch zwischen den Ohren. Wir waren mental nicht auf der Höhe und konnten mit Rückschlägen schlecht umgehen. Wir waren irgendwie Vanille-like unterwegs. Eine Farbe, die man nicht so genau definieren kann.
An den Überfliegern, den ZSC Lions, zu scheitern, ist keine Schmach. Aber es geht um die Art und Weise.
Ja. Die ZSC Lions sind heuer so stark wie wir im Meisterjahr 2021. Sie haben kaum Schwächen. Das muss man akzeptieren und anerkennen. Wir hatten gegen sie nicht viel auszurichten. Das hat für mich aber auch etwas Positives, weil das den Ehrgeiz weckt, es nächstes Mal besser zu machen. Der Frust und die Enttäuschung müssen das Benzin für die Zukunft sein.
Sie sagten einen Tag nach dem Saisonende zu unserer Zeitung:
«Die Zusammenstellung des Kaders war nicht ideal.» Erläutern Sie.
Die physische Härte, die Präsenz, das Durchsetzungsvermögen vor den Toren. In diesen Bereichen waren wir nicht gut genug, um mit den Besten mitzuhalten.
Spieler mit Einschüchterungspotenzial, die in den Playoffs Gift und Galle spucken, solche Typen haben gefehlt.
Absolut. Ich kann nicht in die Köpfe der Spieler hineinschauen. Vielleicht kommt das irgendwann mit der Künstlichen Intelligenz. Wenn es so weit ist, dann züchte ich vielleicht Gemüse im Nirgendwo (lacht). Wir sind in diesem Jahr nie in den Flow gekommen, den es braucht. Es ist nicht so, dass die Mannschaft komplett auseinandergebrochen wäre. Aber sie war nicht fähig, sich in den Playoffs wie Phönix aus der Asche zu erheben.
Nur der EHC Kloten stellte letzte Saison im Durchschnitt ein noch leichteres und noch kleineres Team.
Es geht nicht nur um Kilos und Zentimeter. Wir haben physische Spieler, aber es hätte wohl ein zusätzliches physisches Puzzleteil benötigt. Jemand, der die Mitspieler mitreissen kann. Mein Ziel ist es immer, eine ausgewogene Mannschaft mit integren Charakteren zusammenzubauen, die möglichst alle Qualitäten abdecken können. Zu viel Härte wäre kontraproduktiv und würde nicht unserem Spielstil entsprechen. Leider hatten wir auch nicht die nötige Kadertiefe.
Wie meinen Sie das?
Wir haben viele junge Spieler eingesetzt. Teilweise waren sie noch nicht ganz bereit. Tim Muggli schaffte den Durchbruch noch nicht. Oder Louis Robin bekundete Mühe, sich auf National-League-Niveau zu behaupten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich gebe den Jungen nicht die Schuld. Es wäre illusorisch zu glauben, dass alle jungen Spieler denselben Quantensprung hinlegen wie ein Leon Muggli.
Robin hat einen guten Job gemacht. Weshalb hatten Sie ihn
in die Swiss League weitergereicht?
Wir haben ihm 30 Spiele Zeit gegeben, doch er konnte keine konstanten Leistungen abrufen.
Dann die
Leihe von Ian Derungs, die für Kopfschütteln sorgte. Weshalb haben Sie nicht einem jungen Spieler den Vortritt gelassen?
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir einen schmalen Kader. Wir wussten nicht, wie sich die Situation der Verletzten entwickelt. Ich hatte schon die Hoffnung, dass ein Spieler, der National-League-Erfahrung im Rucksack hat, uns weiterhilft. Logischerweise spielt auch das Prinzip Hoffnung mit. Ich trete Ian sicher nicht zu nah, wenn ich sage, dass er keine echte Verstärkung war.
Wie bewerten Sie Ihre Transferbilanz bei den Ausländern?
Im Vergleich mit anderen Teams waren wir qualitativ nicht so stark aufgestellt, das streite ich nicht ab. Einige machten eine persönliche Baisse durch. Ich bin der Meinung, dass wir keine sechs ausländischen Superstars brauchen. Man darf nicht vergessen: Wir verfügen über einige überdurchschnittlich talentierte Schweizer Spieler. Dann ist es nicht zwingend, alle Ausländer-Positionen mit Top-Spielern zu besetzen. Am Schluss ist entscheidend, wie das Team funktioniert.
Finden Sie die Kritik am ausländischen Personal ungerechtfertigt?
Alle dürfen ihre Meinung sagen, damit habe ich kein Problem. Jetzt bieten wir seit langem wieder eine Angriffsfläche. Dann kommt jeder aus der Versenkung und die Nörgler und Kritiker haben Aufwind. Das gehört zum Geschäft. Dass wir negative Sachen sehr kritisch beleuchten und aufrollen, spricht für die hohen Ansprüche, die wir an uns richten und unsere Leistungskultur. Aber Hauruck-Übungen bringen gar nichts.
Was sind Ihre Lehren?
Wir starten mit sieben Ausländern in die neue Saison. Dann können wir auch den Konkurrenzkampf ankurbeln. Dieser hat gefehlt, weil sich die Mannschaft aufgrund von Verletzungen von selbst aufstellte. Wir brauchen einen gesunden Konkurrenzkampf, um mit den Besten mitzuhalten.
Brian O’Neill erhält dem Vernehmen nach keinen neuen Vertrag.
Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Seine Zukunft ist offen. Ich schliesse nichts aus.
Wie interpretieren Sie seine Signale?
Er würde gerne bleiben. Falls er ein Angebot eines Klubs vorliegen hat, legen wir ihm keine Steine in den Weg. Zwischen Brian und mir herrscht ein transparenter Austausch. Noch ist offen, wie sich Ausländer-Fraktion zusammensetzt. Ob das Verhältnis von ausländischen Stürmern und Verteidigern 5:2 oder 4:3 wird, ist Gegenstand von internen Gesprächen.
Also eventuell ein zusätzlicher ausländischer Verteidiger, weil es keinen adäquaten Ersatz für Nico Gross gibt?
Wir haben mit Dominik Schlumpf, Elia Riva und Livio Stadler drei eher defensiv ausgerichtete Abwehrspieler. Auch Leon Muggli ist kein typischer Offensivverteidiger. Wir wollen noch einen, der spielerische Akzente setzen kann. Jemand, der in allen drei Zonen starke Leistungen erbringt.
Prüfen Sie auch die Option, sich von Spielern mit laufenden Verträgen zu trennen?
Ich schliesse nichts aus.
Aber Sie müssten schon triftige Gründe haben, dass Sie diesen Weg bestreiten.