Entschlossen, mutig und anpassungsfähig: Der «Pitbull» hat sich im EV Zug Respekt erarbeitet
Andreas Wingerli gehören nicht die grossen Schlagzeilen. Doch der EVZ honoriert die wertvolle Arbeit des Stürmers mit einem neuen Vertrag.
Quizfrage: Wer hat die beste Plus-Minus-Bilanz beim EVZ? Vielleicht Abwehrdirigent Lukas Bengtsson? Captain Jan Kovar? Oder Topskorer Lino Martschini? Falsch. Richtig ist: Andreas Wingerli (plus 19). Der 27-jährige Stürmer führt die Statistik teamintern klar vor Tobias Geisser (plus 14), Lukas Bengtsson, Fabrice Herzog und Grégory Hofmann (alle plus 11) an. Am anderen Ende des Rankings liegt Attilio Biasca(minus 11).
Die Plus-Minus-Bilanz wird aus der Anzahl Tore für das eigene Team und der Gegentore errechnet, bei denen ein Spieler bei numerischem Gleichstand auf dem Eis steht. Simpel ausgedrückt: Steht Wingerli auf dem Eis, ist das gut für das sportliche Wohl des EVZ. Auch den Vergleich mit der Liga-Konkurrenz muss er nicht scheuen. Stand 30. Januar steht er zusammen mit Davos-Angreifer Matej Stransky in der Plus-Minus-Bilanz an der Spitze.
Was sagt der Schwede selbst? «Ich will nicht zu viel in diese Statistik hineininterpretieren. Aber klar, ein solch guter Wert ist Beweis dafür, dass ich einiges richtig mache. Das macht mich schon ein wenig stolz. Ich versuche, mit meinen Qualitäten sowohl offensiv wie auch defensiv zum Erfolg beizutragen.»
Weshalb seine Heimat warten muss
Richtig machte der 1,73 Meter grosse Wingerli in jüngster Vergangenheit eine Menge. Fünf Skorerpunkte in den letzten vier Spielen spiegeln nur einen Bruchteil seines erfolgreichen Schaffens. Er gräbt Pucks aus, er bedient uneigennützig Mitspieler, er raubt Gegenspielern mit seiner aufsässigen Spielweise den letzten Nerv, er müht sich im Unterzahlspiel ab, um nur einige seiner Vorzüge zu nennen.
Auffallend ist auch: Die Angriffsformation mit Wingerli, Hofmann und Fredrik Olofsson zeigte viele gute Ansätze. Offensiv generierte das Trio Torchancen und defensiv lieferte es eine saubere Büez ab. «Die Chemie stimmt», sagt Wingerli. «Jeder erfüllt auch beim Verteidigen seine Aufgabe, und vorne können wir mit erfolgreichen Aktionen zum einen oder anderen Tor beitragen. Das stärkt unser Selbstvertrauen.» Während er nur ungern über die eigene Leistung redet, spricht sein Chef, Trainer Dan Tangnes, Klartext: «Ihm gehören nicht die grössten Schlagzeilen. Aber ganz ehrlich: Ihm gebührt viel mehr Anerkennung und Wertschätzung, als er sie bekommt. Für uns ist er ein Schlüsselspieler. »
Vor einigen Tagen hat der EVZ vermeldet, Wingerli bis Ende Saison 2026/27 zu binden. Sportchef Reto Kläy honorierte damit die überwiegend guten und stabilen Darbietungen von Wingerli. «Plan A war immer Zug. Es war keine schwierige Entscheidung», sagt Wingerli.
Auch von Vereinen aus seiner Heimat wurde er geködert, aber er erklärt. «Wenn ich nach Schweden gegangen wäre, dann hätte es kein Zurück in die Schweiz gegeben. Zwei Jahre sind viel zu kurz, um bereits wieder ein neues Abenteuer zu wagen. Der EVZ hat grosse Ambitionen, die mit meinen Ansprüchen übereinstimmen. Es passt einfach. Zudem schätzen wir die hohe Lebensqualität.» «Wir», das sind Andreas Wingerli, Partnerin Agnes und Sohn Henning, der im Januar 2024 zur Welt gekommen ist. «Wir sind glücklich hier», sagt der Stürmer.
Momentan ist er beim EVZ jener Ausländer mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zehn Tore und elf Assists sind sein bisheriger Output. Dabei war sein Start 2023 kompliziert, er wurde von viel Skepsis begleitet. In Fankreisen wurde er als zu klein, zu leicht und zu wenig durchsetzungsstark befunden. Ein Teil der vorgefassten Urteile war beim Blick auf seine früheren Skorerwerte plausibel. Mehr als 32 Skorerpunkte in einer Regular Season hat er nie geschafft. Wingerli punktete zwar letzte Saison während der Quali spärlich (20), drehte dann aber auf und war in den Playoffs einer der Ausdauerndsten und Auffälligsten.
Mitspieler haben ihn wegen seiner aggressiven Zweikampfführung auch schon als «Pitbull» bezeichnet. Per Definition gelten diese Hunde als entschlossen, mutig und anpassungsfähig. Attribute, die auf Wingerlis Profil zutreffen. Er beisst sich an Gegenspielern fest. Kein Weg ist ihm zu weit. Egal, ob auf der Mittelachse oder auf dem Flügel ein Vakuum herrscht – Wingerli füllt es aus.
Teamintern hat er sich enorm viel Respekt erarbeitet. Obwohl er im Vergleich zu den anderen ausländischen Stürmern in dieser Saison weniger oft zum Einsatz kam, murrte er nicht, sondern lieferte ab. Auch am Freitag daheim gegen den HC Lugano, der seit dem Trainerwechsel wie ausgewechselt daherkommt, will «Pitbull» Wingerli wieder zuschnappen