Eine Kumulation von Problemzonen
Vier Spiele, vier Niederlagen: Der EV Zug hat zuletzt mehr Fragen aufgeworfen, statt Antworten zu liefern. Eine Suche nach Gründen.
Philipp Zurfluh
Mehr Glückseligkeit geht nicht: Die EVZ-Himmelsstürmer versetzten am 1. Mai 2022 nach einer historischen, kaum für möglich gehaltenen Finalwende Tausende in Ekstase. Die Zuger, sie flogen hoch. Neun Monate später können sie von der Leichtigkeit des Seins nur träumen und müssen «Eis fressen». Kriechgang statt Höhenflug. Die letzten vier Spiele hat der EV Zug verloren. Die Konsequenz der schwachen Bilanz: Der Rückstand auf die Playoff-Ränge ist grösser geworden, der Vorsprung auf Rang elf ist geschmolzen und damit einhergehend ein Saisonende in Sicht. Es besteht in vielerlei Hinsicht beträchtliches Steigerungspotenzial. Im Prinzip lässt sich niemand von der Kritik ausnehmen. Die Mängel sind vielfältiger Natur. Eine Bestandesaufnahme.
Die Krise als ungewohntes Terrain
Der Begriff Verunsicherung, lange Zeit ein Fremdwort im Vokabular der EVZ-Protagonisten, trifft den Gemütszustand ziemlich gut. Dieser schlägt sich in den Resultaten nieder. Nicht die Pleiten an sich, sondern die Art und Weise der Auftritte werfen Fragen auf. Wie ist es möglich, dass dieser gut veranlagte Kader so schlecht spielt? Bis auf die Neuzugänge Brian O’Neill, Adam Almquist und Carter Camper haben alle mit dem EVZ einen Meistertitel gewonnen. Jetzt, wenn nicht alles am Schnürchen läuft, sind Kämpfer-und Nehmerqualitäten gefragt, der Eigenantrieb jedes Einzelnen. Der EVZ muss beweisen, dass er stressresistent ist, an Widerständen nicht zerbricht, sondern an ihnen wächst, aus Fehlern lernt und mentale Stärke demonstriert.
Das zurückhaltende Coaching des Trainers
Es gibt keine Hinweise, dass Trainer Dan Tangnes den Draht zu seinen Spielern verloren hat. Der Norweger kommuniziert offen, transparent, geradlinig, lösungsorientiert. Er hält nicht rechthaberisch und starrköpfig an seinen Ideen fest, sondern bindet die Spieler vor, während und nach den Trainings in die Analysen mit ein. Seine Gelassenheit, Ruhe und Zurückhaltung während der Spiele haben sich in sorgenfreien Zeiten als Erfolgsmodell herauskristallisiert. Tangnes ist ein Trainer, der das Time-out selten während eines Spiels nutzt, sondern die Auszeit bis kurz vor Schluss aufspart. Doch gerade in den letzten Wochen in Phasen der Überforderung und eines totalen spielerischen Leerlaufs, erstaunte es sehr, wenn Tangnes auf einen «Marschhalt» verzichtete. Sei es, dass er die Mannschaft an die Hand nimmt, sie spüren lässt, ein Feuer entfacht, oder zumindest einer Druckphase des Gegners Einhalt gebietet. Der Standpunkt des besonnenen Nordländers: Er will nicht noch mehr Unruhe stiften. Für ihn ist die Gefahr zu gross, das ohnehin schon verkrampfte Kollektiv weiter zu verunsichern.
Die Startlethargie als unschöne Konstante
Am 23. Januar nach der 2:3-Niederlage gegen die ZSC Lions redete Tangnes Klartext: «Wir waren in den ersten 20 Minuten nur Zuschauer und hätten auch ein Ticket für den Besuch des Spiels bezahlen können.» Es ist kein Einzelfall: In neun der letzten zehn Spiele geriet die Equipe in Rückstand. Der EV Zug überraschte in den Startdritteln immer wieder aufs Neue – im negativen Sinn. In den letzten drei Spielen gab er hochgerechnet nur 13 Torschüsse im Startabschnitt ab. Gegen Lugano und die Rapperswil-Jona Lakers gar nur 2 (!). Die Zeit der immer gleich klingenden Erklärungen für einen schläfrigen Start ist abgelaufen.
Die Spielkultur bleibt auf der Strecke
Nach der Niederlagenserie muss man feststellen: Bis auf die Goalie-Position ähnelt jeder Mannschaftsteil einer Problemzone. Wer Spiele gewinnen will, muss einen ständigen Balanceakt meistern. Bislang ist es selten gelungen, Defensive und Offensive auszutarieren. Der EVZ gerät zu leicht aus dem Tritt. Er gesteht in einer regelmässigen Häufigkeit «billige» Torchancen zu. Wer defensiv patzt, könnte die Scharte mit offensiver Brillanz auswetzen. Gelungene Spielzüge über mehrere Stationen sind aber rar geworden, weil die Struktur fehlt. Dieser Umstand ist auch mit dem fehlenden Selbstverständnis zu begründen. Die Zuspiele finden ihren Adressaten nicht, der Puck wird zu oft in die gegnerische Zone spediert. Es mangelt an Tempo, Intensität und Präzision. Merkmale, mit welchen der EVZ in Bestform die Differenz erwirken kann. Zuletzt herrschten im Angriff kreatives Vakuum und fehlendes Durchsetzungsvermögen. Dazu ein Exkurs in die Statistik: Im Spiel fünf gegen fünf gelingen pro Spiel nur 1,88 Tore. Nur Kloten ist noch schlechter.
Die mentale und emotionale Leere
Die Führungsriege hat den Champions-League-Gewinn zum ultimativen Ziel hochstilisiert. Dagegen lässt sich wenig einwenden. Die Zuger hatten mit ihrer «All-in-Mentalität» punktgenau beachtliche Auftritte hingelegt. Nach aufopferungsvollem Kampf und dem Halbfinal-Out fielen die Spieler in ein mentales Tief. Das Verpassen dieses Saisonziels hat im Innenleben der Spieler Spuren hinterlassen, was sich auch an diversen Akteuren festmachen lässt, die von einer akuten Formschwäche befallen sind. Zurück im nationalen Geschäft sah sich die Mannschaft beim Umlegen des Schalters mit einer grösseren Herausforderung konfrontiert, als man sich das vorgestellt hatte. Jeder, egal ob Jungprofi oder Routinier, steht in der Verantwortung, um seinen Teil für die Trendwende zu bewerkstelligen. Die Fans hatten im letzten Heimspiel ihre klare Botschaft übermittelt: «Aufwachen – Punkte machen.»