«Wir leben manchmal in einer Neidkultur»
EVZ-Präsident Hans-Peter Strebel spricht über Titelchancen, Missgunst und erklärt, warum das Aus des Farmteams kein Untergang ist.
Interview: Philipp Zurfluh
Gewinnt der EV Zug in dieser
Saison zum zweiten Mal in der
Klubgeschichte den Meistertitel?
Erfolg im Sport ist nicht planbar. Planbar
sind aber die Voraussetzungen. Die
Aussichten stehen so gut wie schon lange
nicht mehr. Ich bin optimistisch.
Was beeindruckt Sie am meisten?
Die Ausgeglichenheit. Die Mannschaft
kann Ausfälle kompensieren, als gäbe
es nichts Leichteres. Die jungen Spieler
bereiten mir Freude. Ich bin überzeugt,
dass unser Athletikzentrum für
Spitzensport (OYM) bereits einen positiven
Einfluss auf das Leistungsvermögen
hat.
Apropos OYM: Genau vor einem
Jahr musste das grosse Fest zur
Einweihung Ihres Lebenswerks
abgesagt werden. Schmerzt das
immer noch?
Ja sehr und das Interesse war unglaublich.
Über 10000 Personen haben sich
angemeldet, um an einer Führung
durch das Gebäude teilzunehmen.
Eine Wiederholung ist praktisch nicht
machbar. Bei uns trainieren 160 Sportler,
die wir nicht zur Schau stellen wollen.
Angedacht ist aber eine digitale
Eröffnung.
Welche Bilanz ziehen Sie nach
einjähriger Betriebszeit?
Die Rückmeldungen sind überwältigend.
Wir haben viele Anfragen von
Spitzensportlern. Das Umsetzen unserer
Kernkompetenzen auf wissenschaftlicher
Basis begeistert die Athleten sehr.
In welchen Bereichen profitieren
die OYM-Nutzer am meisten?
Dank einer Kombination aus Athletik,
Gesundheitsmanagement, Ernährung
und Forschung wird das maximale
Leistungspotenzial individuell erarbeitet
und ausgeschöpft. Liverpool-Trainer
Jürgen Klopp hat mal in einem
Interview vor einem Jahr von einem
Top-Transfer gesprochen. Es war aber
nicht von einem Superstar die Rede,
sondern einer Ernährungswissenschaftlerin.
Das OYM ist ein Gewinn für
den Schweizer Spitzensport. Leider sehen
das noch nicht alle so.
Wie meinen Sie das?
Ich verspüre eine gewisse Skepsis von
Aussenstehenden, welche das OYM
noch nicht kennen. So spricht man beispielsweise
abschätzig von einem Polizeistaat.
Das ist an den Haaren herbeigezogen.
Bei uns ist der Dialog mit den
Athleten entscheidend. Nur gemeinsam
gelingt der Erfolg. Das OYM habe
ich der Gesellschaft geschenkt. In anderen
Ländern ist die Akzeptanz für
solche Projekte viel grösser. Wir leben
in der Schweiz manchmal in einer
Neidkultur. Die Sportler schwärmen
über die Betreuung und unbegrenzten
Trainingsmöglichkeiten. Dies ist Genugtuung
für die grosse Arbeit aller
Mitarbeiter im OYM.
Auch das Farmteam, das Sie mit
Millionen Franken unterstützt
haben, ist im OYM beheimatet.
Doch es wird aufgelöst. Traurig,
enttäuscht oder frustriert?
Von allem ein bisschen. Es ist schade,
wie die Dinge gelaufen sind. Die Swiss
League hat eine AG gegründet, wir waren
nicht willkommen. Dieses Verhalten
ist mir unbegreiflich. Wir haben
verschiedene Anläufe gemacht, um
nach Aufnahmekriterien zu fragen. Bis
heute kennen wir sie nicht.
Machen Sie es sich da nicht etwas
zu einfach? Warum kämpfen Sie
nicht um einen Verbleib in der
Swiss League?
Das macht für uns keinen Sinn. Wir haben
die Haltung der AG akzeptiert. Nun
gilt es nach vorne zu schauen.
Es steht der Vorwurf im Raum, das
Farmteam falle der Sparwut des EV
Zug zum Opfer. Macht der Klub
Politik auf Kosten der jungen
Spieler?
Das ist eine bösartige Unterstellung.
Eine Lüge, die ich entschieden zurückweise.
Ich habe das Farmteam privat
finanziert. Wenn es aufgelöst wird,
spart der EV Zug kein Geld.
Aber Sie werden in der Juniorenförderung
in der Zukunft kleinere
Brötchen backen müssen.
Nein. Es gibt auch andere Klubs, die
ohne ein Farmteam erfolgreich sind.
Wir wollen an unserem Ausbildungsgedanken
festhalten. Ein junger Spieler
hat beim EV Zug nach wie vor die
besten Voraussetzungen, um sich zu
entwickeln.
Wenige Junioren bekommen in der
National League regelmässig Eiszeit.
Die Leistungsdichte bei den
Junioren in der Schweiz ist gering.
Also flüchten sie nach Skandinavien
oder Nordamerika.
Das denke ich nicht. Wir wollen die Juniorenförderung
bei uns noch stärker
professionalisieren. Diesen Anspruch
haben wir. Die Jungen sollen so weit
sein, dass man sie mit 17 oder 18 Jahren
im Trainings- und Meisterschaftsbetrieb
der Profis integrieren kann, so wie
das in Schweden gemacht wird. Übrigens
steht Trainer Dan Tangnes zu
100 Prozent hinter unserem Konzept.
Wo soll die Schweiz von Schweden
lernen?
Die schwedischen Klubs sind punkto
Nachwuchsförderung den anderen
europäischen Ländern klar voraus. Die
jungen Spieler werden professionell betreut
und schon früh ans Profi-Niveau
herangeführt. Die Kinder haben ein auf
den Sport abgestimmtes Schulsystem.
Und da ist auch die hervorragende Ausbildung
von Trainern, die Früchte trägt.
Das Schweizer Hockey ist ein erfolgreiches
Produkt mit ein paar
Schwachstellen. Warum stellen Sie
mit der Liga-Reform das Produkt in
Frage, statt die eigene Hockey-Kultur
zu fördern?
Es geht um ein mit Konsens erarbeitetes
Gesamtpaket mit wichtigen Punkten.
Leider wird fast nur über das Ausländerthema
gesprochen. Es wird zu viel
emotionalisiert, statt sachlich diskutiert.
Ich gebe Ihnen mein Wort, dass
wir in Zug mit möglichst wenigen Ausländern
spielen werden.
Sie selbst haben 2018 gegenüber
unserer Zeitung gesagt: «Eine
Ausweitung auf sechs oder noch
mehr Ausländer würde praktisch
den Todesstoss für die Nationalmannschaft
bedeuten.» Machen
Sie eine Kehrtwende?
Auf keinen Fall. Der Status des Lizenzschweizers
wird abgeschafft. Es ist also
quasi ein Status quo. Wenn wir genügend
eigene, talentierte Spieler haben,
dann kann ich mir vorstellen, dass bei
uns auch mal nur drei Ausländer im
Team stehen. Wir engagieren keinen
Ausländer zum Nachteil eines sehr guten
Juniors. Aber es braucht zwei bis drei
Top-Shots wie Jan Kovar.
Allein mit dem Financial Fairplay
könnte man der Explosion der
Lohnkosten entgegenwirken.
Warum nehmen Sie den Hammer?
Ich sehe darin mehr Chancen als Risiken,
unsere Liga ausgeglichen zu gestalten.
Häppchenweise erfährt die Öffentlichkeit
von den Reform-Plänen.
Die Kommunikation der Klubbosse
ist schwach.
Ja, sie war schlecht und das stiftet Unruhe.
Die Kommunikation war übrigens
auch Gegenstand von Gesprächen
unter den Klubpräsidenten. Dass Interna
nach aussen getragen werden, hilft
niemandem.
Eine überwältigende Mehrheit der
Fans muckt gegen die Aufstockung
der Ausländer auf. Nehmen Sie die
Kritik zur Kenntnis?
Die Angst vor Identitätsverlust kann ich
nachvollziehen. Der Marschhalt in der
Debatte ist richtig. Die Fans sollen mitreden
können. Die Situation wird nach
den Playoffs neu evaluiert.
Wo steht der EV Zug in fünf Jahren?
Wir werden um den Titel spielen und
wesentlich mehr als 50 Prozent der
Spieler stammen aus unserer Nachwuchsabteilung.
Mit Ihnen an der Spitze?
Definitiv. Die Leidenschaft für den
EVZug ist ungebrochen. Begeisterungsfähigkeit
kennt kein Alter.
Hans-Peter Strebel in seinen Büroräumlichkeiten an der Haldenstrasse in Luzern. Bild: Boris Bürgisser (25. März 2021)
Pharmazeut und Saxofonist
Der Aargauer Hans-Peter Strebel, 72,
ist studierter Pharmazeut. Mit ETHMitarbeitern
gründete er eine Forschungsfirma
für die Entwicklung von
Medikamenten. Dabei entstand ein erfolgreiches
Medikament gegen die Nervenkrankheit
multiple Sklerose. 2006
verkauften sie ihr Unternehmen für
220 Millionen Franken. Strebel hat dem
EVZ 2014 mit 3 Millionen Franken den
Start des Prestigeprojekts «The Hockey
Academy» ermöglicht. Seit 2010 ist er im
EVZ-Verwaltungsrat. 2015 löste er Roland
Staerkle als Präsident ab und übernahm
die Aktienmehrheit. In seiner Freizeit
spielt der in Luzern wohnhafte Unternehmer
Saxofon und Golf. (pz)
«Das ist eine
bösartige
Unterstellung,
eine Lüge.»
Hans-Peter Strebel
Präsident EV Zug
Verzicht aus Solidarität?
Fans haben die Wahl
Rückerstattung Vor einer Woche flatterte
den Saisonkartenbesitzern des
EV Zug ein Brief ins Haus. Im Schreiben
wird darüber informiert, welche Möglichkeiten
bei einer Rückerstattung oder
einem Verzicht bestehen. Die Abonnenten
können aus drei Optionen auswählen:
100 Prozent Verzicht des Rückforderungsanspruchs,
50 Prozent Verzicht,
oder kein Verzicht. Als Zeichen der
Wertschätzung werden die Namen aller,
die komplett oder teilweise auf die
Rückerstattung verzichten, in der Garderobe
der 1. Mannschaft in der Bossard-
Arena verewigt. (pz) Neue Zuger Zeitung