Krisenstimmung? Fehlanzeige. Zumindest zeigt dies ein Augenschein nach der Trainingseinheit gestern Vormittag. Trainer Dan Tangnes und die Spieler sind bei guter Laune. Auch am Donnerstagabend? Ausgerechnet Tabellenführer ZSC Lions gastiert in der Bossard-Arena. Die Zürcher können mit einem Erfolg den Qualifikationssieg eintüten. CEO Patrick Lengwiler will keine Untergangsstimmung aufkommen lassen, sondern wahrt den Optimismus.
Die Realität besagt nichts Gutes, die Mannschaft gibt ein ganz schlechtes Bild ab. Einverstanden?
Patrick Lengwiler: Stimmt. Ich teile aber nicht Ihre Ansicht, dass sie sich nicht wehrt, kämpft und gegen das Formtief auflehnt.
Sie spüren das Herzblut?
Ich stehe für die Spieler ein, dass sie nicht resignieren und an sich glauben. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo sich viel Frust aufgestaut hat und das Selbstvertrauen und die Sicherheit komplett verloren gegangen sind. Jeder hofft, dass der andere Verantwortung übernimmt. Fast dasselbe Team hat uns in der Vergangenheit viel Freude gebracht. Wenn es läuft, gibt es nichts Einfacheres, als im Strom mitzuschwimmen. Jetzt müssen alle aufstehen, die Leaderfiguren voraus. Wir müssen einen Weg aus der Krise finden. Das geht nur Seite an Seite, gemeinsam.
Enttäuscht, ratlos, besorgt oder alarmiert? Wie ist Ihre Grundstimmung?
Enttäuschung ist sicher da, weil wir ganz andere Ansprüche an uns haben. Aber die Alarmglocken schrillen nicht. Es ist zu früh für eine umfassende und tiefgründige Analyse. Ich bin überzeugt, dass wir mehr können. So banal es klingt, wir müssen jetzt mit dem Kopf durch die Wand. Wir benötigen ein Erfolgserlebnis.
Im Gegensatz zu Ihnen scheint der Mannschaft die Qualifikation für die Champions Hockey League weniger wichtig zu sein.
Das mag sein und ist nachvollziehbar. Der Fokus ist ein anderer. Die Sportler haben primär den Meistertitel als Ziel. Damit wäre automatisch die Champions-League-Qualifikation geschafft
(für die CHL-Qualifikation wird mindestens Rang 3 benötigt, Anm. d. Red). Es gilt in den nächsten drei Spielen ein gutes Gefühl für die Playoffs zu holen. Das geht nur über harte Arbeit. Checks und Stockschläge fressen, resistent sein gegenüber Negativerlebnissen. Das zeichnet eine Mannschaft aus.
Wegen diverser Verletzungen haben Sie von der Versicherung kassiert. Weshalb wurde dieses nicht in qualitativ besseres Spielermaterial investiert?
Nennen Sie mir einen Namen, der während der Saison ein Team verstärkt hat und dessen Einfluss gross ist. Einen Typen wie Brian O’Neill während der Saison zu ersetzen, ist unmöglich. Wir werden nach der Saison die Debatte führen, ob es gescheiter wäre, nächstes Mal mit sieben Ausländern an den Start zu gehen.
Ist es wahr, dass für das Women’s Team nicht genügend Sponsoren gefunden wurden und dadurch mehr eigenes Geld in die Frauenabteilung fliessen musste?
Falsch, das ist schlicht Humbug. Wir haben keinen einzigen Franken vom Männerteam abgezwackt. Das Projekt Women’s Team ist eigenfinanziert durch die Akquisition von neuen Sponsorengeldern. Ich wehre mich dagegen, wenn die Frauen- gegen die Männerabteilung ausgespielt wird.
Wie sieht es finanziell aus, haben sich die schlechten Heimauftritte in den letzten Wochen negativ auf den Konsumationsumsatz ausgewirkt? Ist ein frustrierter Fan schlechter fürs Geschäft als ein euphorisierter?
Die effektiv anwesende Zahl der Zuschauer ist sehr gut. Bis dato ist der Zuspruch und die Unterstützung der Fans gross. Dafür gebührt ihnen ein dickes Lob. Das erlebt man nicht überall. Verständlicherweise wächst mit jeder weiteren Niederlage das Frustrationslevel. Aber Pfiffe würden den Spielern nicht helfen. Im Gegenteil, es macht die Situation noch schlimmer.
Der EV Zug vermittelt das Gefühl, niemand will dem anderen auf die Füsse treten. Herrscht zu viel Wohlfühloase?
Wenn es so wäre, dann hätte dieselbe Wohlfühloase uns zwei Meistertitel beschert. Deshalb bestreite ich das. Viele Spieler der aktuellen Ausgabe haben erfolgreiche Jahre hinter sich. Im Kader steckt also viel Qualität und Charakter. Es bringt nichts, alles schlechtzureden.
Was können Sie als CEO bewirken?
Ich kann aktuell nur bedingt Einfluss nehmen. Es hat keine Wirkung, wenn ich mich in die Garderobe stelle und sage: Es ist fünf nach zwölf. Ich würde den Druck nochmals erhöhen, was in unserer Phase kontraproduktiv wäre. Zudem sind sich dessen alle bewusst.
Zuckerbrot statt Peitsche also.
Ich würde die Peitsche benutzen, wenn ich es für nötig halte. Ich muss mich immer fragen: Was löse ich damit aus? Wenn ich finde, mahnende Worte von mir wären angebracht, würde ich der Mannschaft ins Gewissen reden. Sieben Niederlagen am Stück sind frustrierend, aber es gilt die Relationen zu wahren. Wir kämpfen nach wie vor um Platz drei. Hätten wir diese Misere zu Beginn der Saison erlebt und stünden jetzt soweit vorne, würden wir nicht dieselbe Diskussion führen.
Mit einer solchen Bilanz mussten anderswo Trainer schon ihren Spind räumen.
Falls ich spüre, dass die Wirkung des Trainers verpufft, würden wir konsequent handeln. Aber das ist bei uns nicht der Fall und es gibt keine Trainer-Debatte. In einer solchen Phase zeigt sich, welche Klubs sich von den Emotionen leiten lassen und welche mit einem kühlen Kopf und rational handeln. Ich zähle uns zur zweiten Sorte.
Also bleibt Dan Tangnes im Amt?
Ja, das ist für mich keine Frage. Wir stehen hinter ihm. Wenn es sportlich schwierig wird, ist es noch wichtiger, zusammenzustehen.
Stellen Sie ihm eine Jobgarantie aus?
Es gibt nirgends eine Jobgarantie – aber seine Personalie steht nicht zur Debatte.
An der Zielvorgabe Titelgewinn wird nicht gerüttelt?
Der Titel bleibt das Ziel. Es wird auch in den nächsten Jahren so bleiben. Wenn man scheitert, muss man deswegen nicht alles in Frage stellen. Die Marge zwischen Erfolg und Misserfolg ist so klein. Einige der 14 Mannschaften haben realistische Chancen, zuoberst zu stehen. Jeder Playoff-Teilnehmer darf sich Hoffnungen auf Meisterehren machen. Nun müssen wir schauen, dass wir die Kurve kriegen und zu unseren Stärken zurückfinden. Ich glaube nach wie vor fest daran, dass wir den Turnaround schaffen.
Interview aus der LZ