Der EV Zug hat am Dienstag sozusagen die Mission «Playoff-Serie-Light» in Angriff genommen. Wechselnde Gegner, eine hohe Intensität und drei Spiele innert fünf Tagen. Bei den ersten beiden Playoff-Tests (Genf und Kloten) ist der EV Zug durchgefallen. Null Punkte und weiteres Unheil mit einer mittlerweile so dicken Kranken- und Verletztenakte wie noch nie in dieser Saison. Die Schlussminute in Kloten war der negative Höhepunkt: 2:3-Niederlage nach 2:0-Führung.
Es hätte ein grosser EVZ-Sieg werden können. Mit dem Statement: Wir sind auch mit sechs Verteidigern im Teenageralter resistent genug und setzen ein Ausrufezeichen. Das Vorhaben platzte kurz vor dem Ende. Die tragische Figur: Lino Martschini. An der blauen Linie wollte der Topskorer das Powerplay aufziehen. Doch er überlegte einen Tick zu lange. Keijo Weibel schnappte ihm den Puck weg und hielt mit seinem Siegtreffer Klotens Playoff-Hoffnungen am Leben. Eine Szene, welche dem Publikum die ganze Spannweite zwischen Freud und Leid vor Augen geführt hatte.
Martschini: «Ich habe das Spiel nicht gut gelesen»
Länger als üblich habe er benötigt, um die Geschehnisse zu verarbeiten, sagt Lino Martschini. «Es ging extrem schnell. Ich habe das Spiel nicht gut gelesen und war einen Sekundenbruchteil zu wenig aufmerksam.» Dan Tangnes wirkte am späten Donnerstagabend ziemlich gezeichnet. Seine Enttäuschung über den Spielverlauf konnte er nicht verbergen. Emotional aufgewühlt, musste er sich während der Heimfahrt erst einmal sammeln. Die Videoanalyse verschob er auf später, «um die Vorkommnisse frei von Emotionen und objektiv bewerten zu können».
Aufgrund der vielen Absenzen legte der EVZ das Augenmerk auf eine kompakte Abwehrarbeit, um die quantitativ und qualitativ geschwächte Defensive zu stabilisieren, was richtig war. Doch der offensive Output litt darunter. «Wir haben viele gute Dinge gemacht. Es war kein schlechtes Spiel. Aber im Kollektiv haben nicht alle genau gleich mitgezogen, wie es nötig gewesen wäre. Alle müssen am gleichen Strang ziehen», appelliert Tangnes.
Aus seinem Votum schimmert Kritik durch. Von den «Veteranen» erwarte er eine Steigerung. Namen nennt er keine. Tangnes weiss: Mit dem Finger auf Einzelne zeigen, könnte sich als Bumerang erweisen. Er drückt sich so aus: «Mit einer unerfahrenen Verteidigung hoffst du primär, zu überleben und dass die erfahrenen Spieler die Differenz machen. Es war okay, aber eben nicht mehr.»
Der Tag nach dem emotionalen Dämpfer. Ein Augenschein beim Training zeigt: Die Spieler sind bemüht, nicht zu verkrampfen, den Fokus zu schärfen – und vor allem: den Humor nicht zu verlieren. Sven Senteler, Andreas Wingerli und Fredrik Olofsson müssen am Mittag zur Dopingkontrolle antraben. «Viel Spass», spotten die Kollegen. Im Training mischen auch Livio Stalder und Nando Eggenberger mit. Sie dürften am Samstag für Tangnes eine Option sein. Der Trainer, der aufgrund seines medizinischen Eingriffs am Rücken weder das Training leiten noch aufs Eis darf, versucht trotz schwieriger Situation, die positiven Aspekte herauszustreichen. In der aktuellen sportlichen Lage bleibt ihm keine andere Wahl.
Für Leader Lausanne geht es um (fast) nichts
Der Ausrutscher in Kloten könnte einer zu viel sein. Man hat vermutet, dass das Ausrufezeichen gegen die ZSC Lions (5:4) und die damit einhergehende Playoff-Qualifikation eine beruhigende und ermutigende Wirkung auf das Ensemble haben könnte.Doch so schnell kann es im Hockey gehen. Bester Beleg dafür waren die letzten beiden Runden. Noch am Wochenende schaute die Welt im EVZ recht freundlich aus. Ein bequemes Fünf-Punkte-Polster auf Rang fünf.
Nun hat der Wind gedreht – und jetzt droht dem Team das Worst-Case-Szenario: das Verpassen des Viertelfinal-Heimrechts. Der dritt- und viertrangierte Klub darf die Viertelfinal-Serie vor dem eigenen Publikum eröffnen. Drei wollen, zwei dürfen: Der SC Bern (3./88 Punkte), der HC Davos (4./86) und der EV Zug (5./85) bekämpfen sich am Samstagabend parallel aus der Distanz. Gerade aufgrund der EVZ-Heimstärke wäre der Sprung in die Top 4 von Bedeutung. Für den EV Zug wäre Rang vier nicht nur in der nationalen Meisterschaft von Relevanz, sondern auch europäisch. Dank Europameister ZSC Lions sind nächste Saison vier Schweizer Klubs in der Champions Hockey League startberechtigt.
Der samstägliche Gegner, Überflieger Lausanne HC, wird den Zugern die Punkte nicht ohne Gegenwehr schenken, auch wenn die Westschweizer eine Niederlage wenig kümmern würde. Sie können nicht mehr vom Leaderthron gestossen werden. Dies erlaubt es, Kräfte klug einzuteilen und Spieler zu schonen. Oder tritt das komplette Gegenteil ein? Mit drei Zählern könnte Lausanne erstmals in der Klubgeschichte die 100-Punkte-Marke sprengen.
Für den neutralen Hockeyfan kommt es am Samstag zum Traumszenario. In allen sieben Stadien stehen noch wichtige Entscheidungen an. Nervenkitzel ist garantiert. Der EVZ könnte davon profitieren, dass Bern und Davos auf Teams treffen, die in den Play-In-Kampf involviert sind. So oder so liegt es an Zug, den letzten Strohhalm zu greifen. Er muss seinen Test bestehen, alles andere ist Prinzip Hoffnung.