KlĂ€gliche Kampagne des EV Zug: Unbequeme Wahrheiten mĂŒssen auf den TischâŠ
Der EV Zug ist gegen den HC Davos klÀglich gescheitert. Mit Titelambitionen gestartet, ist das Team sang- und klanglos untergegangen. Ein Kollaps, den in dieser Heftigkeit vor gut einer Woche niemand erwartet hÀtte. Er ist der negative Höhepunkt eines verlorenen Jahres.
Erstmals unter der Ăgide von Dan Tangnes verpasste Zug den Halbfinal, ausgerechnet auf seiner Abschiedstour. Tangnes hat nach seiner Anstellung die «graue Maus» zu einem Ligadominator geformt und sie ins internationale Schaufenster gestellt. Doch Tangnes war heuer nicht in der Lage, dem Negativstrudel zu entkommen. Das Schock-Out ist das Ende einer Play-off-Serie des Grauens, welche das grosse VermĂ€chtnis von Tangnes trĂŒbt, aber nicht abwertet.
Einmal mehr zeigte sich: Was wĂ€hrend 52 Runden kaputt gegangen ist, kann nicht mit ein paar Handgriffen innert Tagen vor den Playoffs repariert werden. Das Team neigte dazu, auseinanderzufallen, wenn es Gegenwehr spĂŒrte. Auch gegen das taktisch hervorragend eingestellte Davos knickte Zug ein, als es zur Sache ging.
Den Spielern Arbeitsverweigerung zu attestieren, wĂ€re verfehlt. Doch ein Team, das sich spĂŒrbar gegen den Niedergang wehrt, war es halt auch nicht. Das Offensivspiel war berechenbar, inspirations- und mutlos â 1 (!) Törchen in 29 Minuten Powerplay â, das Defensivverhalten inferior.
Zum dritten Mal in Folge nimmt der EVZ im Titelkampf die ungeliebte Zuschauerrolle ein. Ein unertrĂ€glicher Zustand, gemessen an den eigenen AnsprĂŒchen. Doch das Zuger SelbstverstĂ€ndnis hat sich in Luft aufgelöst. Designierte Leader wie Lino Martschini oder GrĂ©gory Hofmann blieben unsichtbar.
Wie konnte es so weit kommen? Auch Tangnes ist an seine Grenzen gestossen. Er wurde von seinem frĂŒheren Lehrling Josh Holden, dem er das Trainer-Einmaleins beigebracht hatte, ausgecoacht.
Der Effekt der frĂŒhzeitigen Bekanntgabe von Tangnesâ Vertragsauflösung wurde von der EVZ-FĂŒhrung unterschĂ€tzt. Es entstand eine spezielle Gemengelage, die wenig förderlich war und Tangnesâ Arbeit erschwerte. Gegen den physisch starken HCD konnte er keine Lösungen prĂ€sentieren, die Spieler wirkten ratlos. Tangnes schaffte es nicht mehr, die komplette Mannschaft hinter sich zu scharen. AbnĂŒtzungserscheinungen sind nach dieser intensiven und langen Zusammenarbeit unvermeidbar. Doch es war kein gutes Zeichen, dass Tangnes nach Spielen stĂ€ndig ĂŒber dieselben Fehler dozieren musste.
NatĂŒrlich darf auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass sich kein anderer Klub im Februar und MĂ€rz mit so vielen Verletzungssorgen herumschlagen musste. Kein anderes Team hĂ€tte AusfĂ€lle in dieser Dimension verkraften können, wie es der EVZ tat. In dieser Phase machte sich bezahlt, dass sich die Integration von talentierten KrĂ€ften lohnt, auch mit Blick auf den langfristigen Erfolg. So sind denn auch die Jungen von der Kritik auszunehmen. Sie lieferten ĂŒberwiegend erfrischende und reife Darbietungen ab.
Die Ursache des Scheiterns liegt auch in der Garderobe. Dieses Team ist keine funktionierende Einheit, die sich fĂŒreinander aufopfert. Dazu passt, dass man immer mal wieder von atmosphĂ€rischen Störungen hörte. Daniel Vozenileks impulsives Gebaren ist diversen Mitspielern ein Dorn im Auge. Der StĂŒrmer agierte oft im «Motz»-Modus. Im Herbst mit einer famosen Torquote ein Kraftwerk im Spiel, hat sich sein Frust zunehmend am Gegner und den Schiedsrichtern entladen. Mit seinem Mangel an Selbstkontrolle wurde er zum Bremsklotz. Wobei Vozenilek (zum Teil selbst verschuldet) eine beliebte Zielscheibe der Referees wurde, was zuweilen gar willkĂŒrliche Strafen nach sich zog.
Vor knapp einem Jahr hat man Marc Michaelis den Laufpass gegeben, weil man das Augenmerk auf die physische Komponente legen wollte. Mehr als ein halbes Dutzend Spieler wurden verpflichtet, mit dem Ziel, IntensitĂ€t und Durchschlagskraft zu erhöhen. Eingekauft wurde viel Masse, aber wenig Klasse. Eine Winner-MentalitĂ€t sollte eingeimpft werden, eine Leistungskultur. Das Vorhaben ging schief. Die jetzige Entwicklung ist ein Ausdruck von Stagnation. Und Stillstand bedeutet RĂŒckschritt.
Der Zorn des Umfelds trifft vor allem Sportchef Reto KlĂ€y. Sein Transferbilanz-Zeugnis ist ungenĂŒgend. Die Neuen Fredrik Olofsson und Gabriel Carlsson genĂŒgten den AnsprĂŒchen nicht. Bei Olofsson weiss man noch immer nicht so genau, wo seine StĂ€rken liegen sollen. Und Carlsson gehört zu den grössten Transfer-IrrtĂŒmern ĂŒberhaupt. Ungelenk, langsam, fehleranfĂ€llig und zweikampfschwach waren sicher nicht Attribute, die man sich von ihm versprach. Ist KlĂ€y der richtige Mann, um das Team zurĂŒck in die Spur zu bringen? Seine Reputation hat gelitten. Mehrere seiner «Patronen» haben zuletzt nicht gesessen.
Schmerzlich vermisst wurde ein weiterer Top-Mann fĂŒr die Mittelachse. Hier braucht es eine qualitative Aufwertung. Neben Jan Kovar, der viel von seiner Dynamik und von seiner Aura eingebĂŒsst hat, braucht es einen zweiten, spielstarken MittelstĂŒrmer. Mit dem jetzigen AuslĂ€nder-Septett wird der Titel auch nĂ€chste Saison eine «Mission impossible». Ja, Zug hat Schweizer Spieler auf gehobenem Niveau. Doch die auslĂ€ndische Fraktion macht fast ein Drittel pro Team aus. Mit der momentanen QualitĂ€t hinkt man den Besten deutlich hinterher. Dass alle AuslĂ€nder noch bis mindestens 2026 unter Vertrag stehen, macht die Aufgabe nicht einfacher.
Dazu kommt die noch nie da gewesene VerletzungsanfĂ€lligkeit. Es waren gegen Ende Saison mehrere Spieler, die ĂŒber Schmerzen in der Adduktoren- und Leistengegend klagten. Nur Zufall? Und wie kann es sein, dass die Spieler in den Playoffs einen völlig ausgepowerten Eindruck hinterliessen? Eine Tatsache, die der EVZ-FĂŒhrung zu denken geben muss. Schliesslich verfĂŒgt der Klub mit dem Spitzensportzentrum OYM ĂŒber die modernste Infrastruktur Europas mit den höchsten wissenschaftlichen Standards. Es ermöglicht gute Rahmenbedingungen, gleichzeitig bindet es aber finanzielle Mittel, die deshalb nicht auf dem Spielermarkt eingesetzt werden können. Generell ist der EVZ gut beraten, durch bessere Kommunikation nach aussen mehr Transparenz zu schaffen, was die Zusammenarbeit mit dem OYM betrifft. So kann verlorenes Vertrauen wiederhergestellt und Goodwill bei den Fans geschaffen werden.
Was es dazu auch noch braucht: eine detaillierte und ergebnisoffene Analyse aller VersĂ€umnisse. Wer zurĂŒck an die Spitze will, kann sich keine SentimentalitĂ€ten leisten, sondern muss sich auch unbequemen Wahrheiten stellen. Helfen die aktuellen AuslĂ€nder, der Sportchef und das OYM in seiner jetzigen Form wirklich mit, das Team wieder nach ganz oben zu fĂŒhren?