Zuger Zeitung, 10.06.21:
"Mit blauem Auge davongekommen
50 Prozent der EVZ-Fans verzichten ganz oder teilweise auf Rückerstattung des Saison-Abos. Der CEO hofft auf volle Stadien ab September.
Philipp Zurfluh
Man mag sich an die Geschehnisse erinnern, als am 7. Mai nach dem zweiten Meistertitel der Klubgeschichte beim EVZug alle Dämme brachen. Minuten nach der Realisierung des langersehnten Triumphs sass Geschäftsführer Patrick Lengwiler zusammen mit Präsident Hans-Peter Strebel auf der Spielerbank und beobachtete die Feierlichkeiten aus einer sicheren Distanz. Lengwiler genoss das Bad der Emotionen im Stillen, aber mit viel Glückseligkeit. «Genugtuung» beschreibe seinen dazumal herrschenden Gefühlszustand treffend. «Ich war zufrieden, dass es wir es geschafft haben und unsere langfristige Strategie von A bis Z aufging. Wir haben dem riesigen Druck standgehalten, haben geliefert und dies in einer Ausnahme-Saison, welche uns in allen Belangen sehr viel abverlangt hat.»
Damit Zug nicht vom Weg abkam, waren Lengwilers Führungsqualitäten als Chef einer Organisation mit 100 Mitarbeitern und 200 Teilzeitmitarbeitern vonnöten wie nie zu vor. «Es war ein Kraftakt, der von allen solidarisches Handeln erforderte. Das ist uns gelungen. Es waren ausserordentliche Erfahrungen», erläutert Lengwiler.
Die meisten Sponsoren halten EVZ die Stange
Es war eine turbulente Saison, geprägt mit Widerwärtigkeiten in regelmässigem Abstand. Nicht weniger als 27 Quarantänen und 96 verschobene Spiele kamen zusammen. Ein kleines Wunder, dass die Saison trotzdem mehr oder weniger in geordneten Bahnen verlaufen konnte.
Wegen fehlender Ticketeinnahmen und finanziellen Einbussen in der Gastronomie war Lengwiler gezwungen, nach dem Sparhammer zu greifen. Die Festangestellten verzichteten während eines Jahres auf 7,5 bis 25 Prozent ihres Gehalts – je nach Lohnklasse. «Die drastischen Einsparungen waren unumgänglich», bewertet Lengwiler diesen Schritt rückblickend.
Im Worst-Case-Szenario hätte der EV Zug im Geschäftsjahr 2020/21 einen Schaden von 12,5 Millionen Franken erlitten. Mit diversen Massnahmen hat der Klub auf die schwierige Lage reagiert und bis im Januar 5,1 Millionen Franken einsparen können. «Unsere Sponsoren und Fans haben sehr viel Solidarität gezeigt. Die meisten Sponsoren arbeiten auch in Zukunft mit uns zusammen, obwohl einige von ihnen von der Coronapandemie selber stark durchgeschüttelt wurden», führt Lengwiler aus. Der Klub profitiert davon, dass die Hälfte der entgangenen Ticketeinnahmen durch den Bund mit A-fonds-perdu-Beiträgen entgolten werden. Laut Lengwiler seien die Staatsgelder noch nicht gesprochen worden. Hätte der EV Zug zwei Drittel der Ausfälle der Ticketeinnahmen beantragt, hätte der Klub die Spielergehälter über dem maximal versicherbaren Jahreslohn von 148000 Franken um mindestens 20 Prozent kürzen müssen. Und das für die nächsten fünf Jahre. Auch Dividenden und Tantiemen hätte der EV Zug dann nicht mehr ausschütten dürfen.
Die Zahlen aus dem Geschäftsjahr sind durch alle getroffenen Massnahmen und die staatlichen Unterstützungsgelder nicht so tiefrot. Lengwiler lässt durchblicken, dass der EVZ einen hohen sechsstelligen Betrag als Verlust im Geschäftsjahr 2020/21 ausweisen muss. «Wir sind mit zwei blauen Augen davongekommen.»
Die Saisonkartenbesitzer hatten die Wahl, auf die volle Rückerstattung ihres Saisonabos zu verzichten. 25 Prozent haben sich dazu bereit erklärt, 25 Prozent wollten die Hälfte zurückerstattet, 50 Prozent forderten den Geldwert ihrer Saisonkarte zurück. Dass die Hälfte aller Inhaber den vollen Betrag zurückverlangte, wenn man für eine ganze Saison bezahlt und dann nur an zwei Spielen live dabei sein könne, versteht Lengwiler.
Kontroverse um Abdelkaders Verpflichtung
In Zeiten von Corona wird von der Öffentlichkeit jeder investierte Franken kritisch beäugt. So wurde Kritik laut, als Zug im Februar den Transfer des US-amerikanischen Stürmers Justin Abdelkader vermeldete, währenddessen der Klub auf finanzielle Unterstützung des Staats pochte. So musste der Klub erklären, dass der Stürmer nur 5000 Franken im Monat verdienen werde. «Es ist logisch, dass das in einem solchen Kontext hinterfragt wird. Dennoch war es richtig, dass wir Abdelkader verpflichtet haben.»
Derzeit beschäftigt Lengwiler vor allem, wie die gesundheitspolitische Lage im Herbst aussehen wird. Am 7. September geht es für den Titelverteidiger in der nationalen Meisterschaften wieder zur Sache. Lengwiler hofft, dass dann die Stadien voll ausgelastet sind. «Die nächsten Wochen werden Aufschluss darüber geben, ob das realistisch sein wird. Ich hoffe auf Perspektiven, damit wir Planungssicherheit haben.» Unter welchen Bedingungen die Grossveranstaltungen im Herbst wieder stattfinden können, wird der Bundesrat voraussichtlich noch im Juni entscheiden."