Da war plötzlich der Moment gekommen, als der EV Zug sehenden Auges in die nächste Niederlage zu stürzen drohte. In der 57. Minute beim Stand von 2:2 beging der EVZ einen Wechselfehler, Genève-Servette schnupperte an der Entscheidung. Doch dank eines starken Unterzahlspiels rettete sich der EV Zug in die Verlängerung. Dort erzielte Nico Gross sein zweites Saisontor in seinem 42. Spiel.
Die Bedeutung dieses Treffers war allgegenwärtig zu spüren. Anhand der Reaktionen der Fans, der Aussagen von Trainer und Spieler. Der Sieg ist mehr wert als bloss zwei Punkte. Sven Sentelers Worte bringen es auf den Punkt: «Wir mussten lange Zeit unten durch. Es ist ein tolles Gefühl, wieder auf der anderen Seite zu stehen. Ich glaube, der Sieg kann viel bewegen.»
Sven Senteler, der verteidigende Stürmer
Es war auch Balsam auf die geschundene Seele der Fans. Aus den vorherigen neun Heimspielen holte der EV Zug nur fünf von möglichen 27 Punkten. Seit dem 27. Januar hatte der EV Zug kein Heimspiel mehr gewinnen können. Nun ist die Serie von acht Niederlagen am Stück Geschichte. Die Spieler lagen sich in den Armen, das Lächeln ist zurück. Trainer Dan Tangnes sagt erleichtert: «Ich bin stolz auf die Mannschaft. Ich hatte Bedenken, ob sie mit den schwierigen Umständen umgehen kann.»
Worauf sich Tangnes bezieht: Der Trainer war kurzfristig zu Veränderungen in der Aufstellung gezwungen. Dies, weil Lukas Bengtsson nicht mittun konnte. Der schwedische Abwehrchef hatte zwei Stunden vor Matchbeginn noch einige Runden auf dem Eis gedreht, doch er musste Forfait geben. Mit Dominik Schlumpf erwischte es einen weiteren Verteidiger: Er wurde in der 19. Minute vom Puck im Gesicht getroffen und kehrte erst im Schlussdrittel wieder zurück. Noch ist offen, ob Bengtsson und Schlumpf beim letzten Qualifikationsspiel zurück im Kader sind.
Aufgrund der ohnehin schon arg gebeutelten Abwehr – Niklas Hansson, Tobias Geisser und Livio Stadler sind verletzt – wurde Senteler kurzerhand vom Stürmer zum Verteidiger umfunktioniert. Eine Premiere in seiner bisherigen Karriere. «Es war zunächst sehr ungewohnt, ich hatte einige Anlaufschwierigkeiten. Wir hatten aber richtig gut gespielt, deshalb waren meine Defensivqualitäten nicht so sehr gefragt», sagte Senteler hinterher mit einer Coolness und Überzeugung, die auch auf dem Eis aufblitzte. Neue Position? Kein Problem. Senteler steuerte selbst ein Tor zum langersehnten Erfolgserlebnis bei.
Weshalb hat sich Tangnes entschieden, ausgerechnet Senteler in die Defensive zu beordern? «Ich brauchte einen erfahrenen Spieler, der mit Druck umgehen kann. Es wäre nicht zielführend gewesen, einen Junior ins kalte Wasser zu werfen.» Mit Arno Nussbaumer, 21, Nic Balestra, 18, und Leon Muggli, 17, war die Zuger Abwehr bereits sehr jugendlich besetzt. Die Jungen machten jedoch einen abgeklärten und mutigen Job gegen den frisch gekrönten Gewinner der Champions Hockey League.
Showdown um die Champions-League-Quali
In der jüngsten Vergangenheit wurde beim EV Zug viel geredet. Sehr viel.
Nach dem desolaten Schlussdrittel gegen die ZSC Lions hatten sich die Spieler in der Garderobe dem Frust entledigt. Die Kabinen-Aussprache als Wachrüttler? «Ich denke schon», sagt Sven Leuenberger. «Ich hatte in den letzten Wochen das Gefühl, dass wir 20 coole Typen sind, die aber nicht ehrlich miteinander umgehen. Endlich konnten wir es auch auf dem Eis umsetzen.» Senteler ist überzeugt: «Die Ausfälle haben uns noch mehr zusammengeschweisst. Wir haben gewusst, alle müssen defensiv noch härter arbeiten.» Leuenberger schöpft aus dem Sieg Optimismus: «Im Mitteldrittel haben wir nur mit nominell fünf Verteidigern gespielt und eine der besten Mannschaften dominiert. Deshalb gibt es keinen Grund, an sich zu zweifeln.»
Sicher ist: Zug geniesst in den Playoff-Viertelfinals Heimrecht. Am Montag kommt es in Lausanne zum Direktduell um Rang drei. Ein Sieg ist zwingend, um die Waadtländer zu überholen. Mit dem dritten Platz sind die Chancen realistisch, um sich für die Champions Hockey League zu qualifizieren. Ein schon vor Saisonbeginn klar formuliertes Ziel. «Wir spielen auf Sieg», sagt Senteler, der seinen Rollentausch souverän meisterte und dazu beitrug, dass der kränkelnde EV Zug ein Lebenszeichen von sich gab.
Bericht au der LZ