Mal wieder eine Super Analyse von Herr Zurfluh aus der LZ
Das Kalenderjahr neigt sich dem Ende zu. Ein Zeichen dafür, dass sich die Eishockeysaison im fortgeschrittenen Stadium befindet. 26 von 52 Qualifikationsrunden hat der EV Zug bestritten. Das heutige Auswärtsspiel gegen den HC Ambri-Piotta ist für den EV Zug gleichbedeutend mit dem Startschuss in die zweite Saisonhälfte. Grund genug, das bisher Gezeigte etwas genauer zu beleuchten.
41 Punkte ergeben Rang 5. Siege (14) und Niederlagen (12) halten sich ungefähr die Waage. Auch wenn Statistiken nicht die ganze Wahrheit erzählen, geben sie ein realistisches Bild der Leistungen wieder. Der EV Zug ist extrem schwer auszurechnen und dürfte bei Buchmachern für schlaflose Nächte sorgen, wenn es darum geht, Quoten für Sieg und Niederlage zu bestimmen.
Natürlich gibt es Erklärungsansätze für das stetige Auf und Ab. Da wäre zum Beispiel die lange Absenz von Leonardo Genoni. Der sichere Rückhalt fehlt dem EV Zug an allen Ecken und Enden. Die Einsätze von Backup Tim Wolf stehen in gewisser Hinsicht sinnbildlich für jene seiner Vorderleute. Sie sind geprägt von Höhen und Tiefen. Wolfs Fangquote beträgt gute 92 Prozent. In Erinnerung bleiben aber auch haltbare Gegentore und grobe Fehlgriffe, gerade in entscheidenden Momenten.
Klar ist: Wer Meister werden will, braucht einen überragenden Schlussmann. Wie wäre die Punkteausbeute, wenn seit September mehrheitlich Genoni im Tor gestanden hätte? Würde Zug dann von der Tabellenspitze grüssen? Womöglich. Doch vom Konjunktiv lebt bekanntlich nur der Stammtisch. Denn zur Wahrheit gehört auch: Genoni hat während der Regular Season in den letzten beiden Saisons auch nicht brilliert (Abwehrquoten: 91 und 89,8 Prozent). Der Entscheid von Trainer Dan Tangnes, Wolf achtzehn Spiele in Folge ins Tor zu stellen, mutet im Nachhinein speziell an. Und wirft die Frage auf, weshalb Wolfs Energiemanagement nicht besser gesteuert wurde.
Die hohe Anzahl Gegentore hat auch mit fehlender Souveränität in der Abwehr zu tun. Diese leistet sich zu viele Nachlässigkeiten. Insbesondere von Niklas Hansson, der den Ansprüchen hinterherhinkt, muss mehr kommen. Seine Plus-Minus-Bilanz (-4) spricht Bände. Gleichzeitig gilt es nicht unerwähnt zu lassen, dass die Defensive partiell mit drei 18-Jährigen agierte, was mit Situationen von Verunsicherung nicht zuträglich war.
«Wie konnten wir dieses Spiel verlieren?»: So hat es mehrmals von EVZ-Profis nach Niederlagen geklungen. Einige waren völlig unnötig und selbst verschuldet. Die Zuger schafften es wiederholt, auf fahrlässige und naive Art und Weise, eigene Vorteile zu verspielen. Wenn sie auf harten Widerstand trafen, brach Panik und Chaos aus.
Zug ist punkto Körpergrösse die Nummer eins der Liga. Doch Masse bedeutet nicht automatisch Klasse. Hauptsächlich von den neuen, ausländischen Spielern, die so etwas wie Aufbruchsstimmung geweckt hatten, darf mehr erwartet werden. Neben Daniel Vozenilek, der bislang in mehreren Belangen eine Bereicherung ist, kommen weder Verteidiger Gabriel Carlsson noch Stürmer Fredrik Olofsson auf Touren. Carlsson «schwimmt», wenn ihm die Gegenspieler um die Ohren fahren. Dieser Berg von einem Mann strahlt momentan alles aus, nur nicht Entschlossenheit und Stärke. Olofssons Defensivarbeit ist tadellos, doch was sein offensives Wirken betrifft, gibt es viel Luft nach oben.
Als als sich Zuversicht breitmachte, just in der Phase, in welcher der EVZ nach einer guten Leistung gegen Rapperswil-Jona, dem Mentalitätssieg in Biel und dem starken Auftritt gegen Kloten den Eindruck von Stabilität vermittelte, folgten Niederlagen gegen die ZSC Lions (0:4) und den HC Fribourg-Gottéron(1:4)
Man darf diese nicht dramatisieren. Doch sie waren Beweis dafür, dass der EV Zug nur Argumente für einen Sieg hat, wenn die Spieler mit der richtigen Berufseinstellung ans Werk gehen. Unbestritten ist: Bleibt die Equipe von Verletzungen verschont, ist viel Qualität vorhanden. Andere Teams würden den EVZ darum beneiden, eine vierte Sturmlinie mit Sven Leuenberger, Fabrice Herzog und Dario Simion bilden zu können. In der Offensive – Zug stellt den zweitbesten Angriff in der Liga – ist das Team auf das «Secondary scoring» angewiesen. Tore von der zweiten Garde. Exakt das, was den EV Zug in Erfolgszeiten ausgezeichnet hat.
Um die 41 Punkte bei Halbzeit einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf das Ranking der letzten Jahre. Für den sechsten Rang und die damit verbundene direkte Playoff-Qualifikation waren 2024 85 Punkte nötig, 2023 waren es 82, im Jahr 2022 gar 87. Diese Zahlen halten den Spielern den Spiegel vor, dass in der zweiten Saisonhälfte eine Steigerung erfolgen muss. Denn der EV Zug sollte um jeden Preis verhindern, bis zum letzten Spieltag in einen Nerven aufreibenden und Energie raubenden Kampf um einen Playoff-Platz verwickelt zu sein.
Auch weil die Meisterschaft derart ausgeglichen ist, stehen für den EV Zug im Dezember wegweisende Wochen an. In den fünf Partien gegen schlechter platzierte Teams kann Zug wichtige Punkte sammeln und sich nach vorne orientieren. Die Spiele zeigen, wie weit der EV Zug in seiner Entwicklung steht, ein echtes Spitzenteam zu sein. Stagniert er weiterhin, droht im Frühling ein böses Erwachen.
Daniel Vozenilek – Maschine auf zwei Kufen
Treffsicher, trickreich, omnipräsent, robust, unerschrocken. Um es auf den Punkt zu bringen: Daniel Vozenilek hat beim EVZ eingeschlagen und gilt als Königstransfer. Der Stürmer mischt in der Topskorer-Wertung vorne mit. So wie der 29-Jährige aktuell die Liga prägt, ist er enorm wertvoll. Seine Emotionen dienen ihm als Kraftstoff. Aber Vorsicht: Läuft es nicht nach seinem Gusto, ist sein Nervenkostüm dünn. Das Jonglieren mit den Emotionen ist ein Spiel mit dem Feuer. Er muss aufpassen, dass er sich nicht zu oft die Finger verbrennt.
Tobias Geisser – wann schöpft er sein Potenzial aus?
Perfekte Gardemasse (196 cm, 100 kg) für einen Verteidiger und doch setzt Tobias Geisser seine körperlichen Vorzüge nicht konsequent ein. Der 25-Jährige lässt sein Können aufblitzen, doch ebenso schleichen sich Konzentrationslücken ein. Vor Jahren als nächster Raphael Diaz gehandelt, ist er in seiner Entwicklung stagniert und weit von seinem Ziel NHL entfernt. Er ist trotz seiner Grösse sehr mobil, hat eine solide Stocktechnik und einen guten Schuss. Deshalb darf man ihm zutrauen, offensiv mehr Verantwortung zu übernehmen.
Gabriel Carlsson – offensiv wirkungslos, defensiv fehlerhaft
45 Spiele, 8 Tore, 16 Assists: Die Punkteausbeute von Verteidiger Gabriel Carlsson in der letzten Saison in Schweden bei den Växjö Lakers weckte grosse Erwartungen. Doch der Wind hat gedreht. Das Zwischenfazit fällt ernüchternd aus: Offensiv hat er null Einfluss (0 Tore, 3 Assists). Trotzdem wird er mit reichlich Powerplay-Zeit belohnt. Klar: Der kreative Part ist nicht seine Primäraufgabe, doch der 1,95-Meter-Hüne agiert hüftsteif und ist nicht selten überfordert. In dieser Verfassung ist der 27-Jährige keine Ausländerlizenz wert.
Dario Simion – die Leichtigkeit ist verschwunden
Er müsste mit seinen Qualitäten mehr bewirken als bislang fünf Tore. Physisch nicht mehr so präsent, wirkt Dario Simion verkrampft und gehemmt. Leiden die Leistungen, weil es seine letzte Saison beim EVZ ist? Der 30-Jährige ist nicht mehr der selbstbewusste und zielstrebige Spieler aus früheren Tagen. Vom Trainer wurde er in der Hierarchie nach hinten durchgereicht. So findet er sich gemessen an der Eiszeit nur noch auf Rang elf aller Stürmer wieder. Simion weist die schlechteste Plus-Minus-Bilanz (-9) aller Zuger Spieler auf.